Wer bis Ende 2021 ein Darlehen zur Baufinanzierung abschloss, konnte sich glücklich schätzen. Abhängig von der Dauer der Zinsbindung und der individuellen Bonität betrugen die Zinsen für solche Darlehen unter 1%. Für Immobilienkäufer war dies eine historisch günstige Möglichkeit, sich Geld bei der Bank fürs Eigenheim zu leihen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Aktuell betragen die Bauzinsen über 4%. Experten gehen davon aus, dass sich die Bauzinsen noch eine Zeit lang auf diesem Niveau bewegen werden. Nun wächst die Sorge, dass sich viele Immobilienbesitzer ihr Darlehen nicht länger leisten können, wenn die Zinsbindung ausläuft.
In einzelnen Fällen kann die Zinssteigerung tatsächlich zum wirtschaftlichen K.O. für die Darlehensnehmer führen. Doch dass massenhaft Immobilienfinanzierungen bei der Verlängerung platzen, ist nicht zu erwarten. Denn betrachtet man eine historische Zeitreihe der Bauzinsen über die vergangenen 30 Jahre, ist ein Zinsniveau von rund 4% vergleichsweise niedrig. In den vergangenen 30 Jahren betrugen die Zinsen für Baudarlehen:
- Vor 30 Jahren ca. 9%
- Vor 25 Jahren ca. 5%
- Vor 20 Jahren ca. 5%
- Vor 15 Jahren ca. 4%
- Vor 10 Jahren ca. 3%
- Vor 5 Jahren ca. 2%
Das folgende Beispiel zeigt, welche Auswirkungen die Veränderung der Zinsen auf eine Baufinanzierung haben kann. Besonders wichtig ist dabei die während der Darlehenslaufzeit erbrachte Tilgung. Nahm jemand vor 10 Jahren (also Ende 2013) ein Bankdarlehen zur Finanzierung eines Immobilienkaufs in Höhe von 400.000 Euro auf, betrug die monatliche Zinslast bei 2% Zinsen 667 Euro. Hinzu kommt die Tilgung, die im gewählten Beispiel anfänglich 3% beträgt und daher monatlich mit weiteren 1.000 Euro zu Buche schlägt. Die Darlehensnehmerin/der Darlehensnehmer hatte bisher also eine monatliche Belastung von 1.667 Euro zu tragen.
Kosten bei Darlehensverlängerung hängen von Tilgung ab
Läuft das Darlehen nun aktuell wegen einer nur zehnjährigen Zinsbindung aus und muss verlängert werden, wird die Bank ihr oder ihm ein Angebot zur Verlängerung (auch Prolongation genannt) machen. Die Restschuld beträgt zu dem Zeitpunkt rund 291.00 Euro. Wird das Darlehen nun zum Zinssatz von 4% bei gleichbleibend 3% Tilgung verlängert, erhöht sich die monatliche Belastung leicht auf 1.699 Euro, liegt also um 32 Euro beziehungsweise zwei Prozent höher als zuvor.
Die Rechnung sieht jedoch weniger günstig aus, falls die Anfangstilgung geringer als 3% gewählt wurde. In diesem Fall zahlten die Darlehensnehmer in den ersten 10 Jahren eine geringere monatliche Rate von nur 1.333 Euro. Doch am Ende der zehnjährigen Zinsbindung ist nun die Restschuld deutlich höher. Sie beträgt rund 327.500 Euro. Wird dieses Darlehen nun mit weiterhin 2% Tilgung verlängert, steigt die monatliche Zahlung auf 1.638 Euro, was einer Steigerung um 305 Euro beziehungsweise 23% entspricht. Es zeigt sich, dass die Tilgungshöhe ganz entscheidend die Situation bei der Verlängerung des Darlehens bestimmt.
Die meisten Bankkunden werden für die Verlängerung ihres Darlehens mit ihrem Institut oder einem alternativen Anbieter vermutlich eine Lösung finden. Denn in den 10 Jahren sind in der Regel die Einkommen spürbar gestiegen, sodass höhere Raten zwar unerfreulich sind, jedoch vom verfügbarem Haushaltsnettoeinkommen bezahlt werden können. Auch Sondertilgungen während der Zinsbindungsphase verbessern die Situation beim Neuabschluss. Solch eine zusätzliche Tilgung kann man auch beim Ende der Zinsbindung vornehmen.
In einem Beitrag im Hamburger Abendblatt (Paywall) sagte Baufinanzierungsspezialist Alexander Krolzig von der Verbraucherzentrale Hamburg: „Es wird Fälle geben, in denen die Anschlussfinanzierung zum Problem wird. Das betrifft aber vor allem Kreditnehmer, die sich für kurze Zinsbindungen entschieden haben.“ Problematisch könnte die Situation laut den Experten in den kommenden Jahren für jene Kunden werden, die Finanzierungen mit kurzer Laufzeit, niedrigen Zinsen und geringer Tilgung abgeschlossen haben. Solche Kunden sollten sich bei Bedarf Rat von Experten holen zum Beispiel von der Verbraucherzentrale Hamburg, um ihre Immobilie nicht zu verlieren.
Im Fall der Fälle besser verkaufen als sich Vollstreckung zu unterwerfen
Ist eine Weiterfinanzierung der Immobilie nach Auslaufen der Zinsbindung tatsächlich nicht möglich, sollten Immobilieneigentümer ebenfalls frühzeitig handeln und die Immobilie selbst verkaufen. „Das ist zwar traurig und schmerzhaft, aber wirtschaftlich deutlich sinnvoller, als sich der Zwangsvollstreckung durch eine Bank zu unterwerfen“, sagt Immobilienmakler und Experte Dr. Ingo Kohlschein. Ein erster Schritt ist in diesem Fall eine aktuelle Immobilienbewertung des Hauses oder der Wohnung. In der Regel ist der Wert der Immobilie seit dem Kauf vor 5 oder 10 Jahren gestiegen.
Wichtig ist, sich rechtzeitig um Angebote für die Verlängerung des Darlehens zu kümmern. Denn nach Ablauf der Zinsbindung von mindestens 10 Jahren haben die Kunden das Recht, den Vertrag ohne Zahlung einer Entschädigung zu kündigen und die Finanzierung bei einer alternativen Bank abzuschließen. Solch eine Umschuldung ist jedoch mit Kosten für Notar und Gericht verbunden, da die Grundschuld neu eingetragen werden muss. Diese Kosten sind gegen den Zinsvorteil abzuwägen.
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