Die Hamburger Bauordnung wird reformiert, um den Wohnungsbau zu beschleunigen, Bürokratie abzubauen und Bauprojekte kostengünstiger zu gestalten. Der Senat hat Ende Oktober eine umfassende Novelle beschlossen, die zahlreiche Erleichterungen im Genehmigungsverfahren und beim Bauen im Bestand bringt. Der Beitrag beleuchtet die geplanten Änderungen und deren potenziellen Einfluss auf den Wohnungs- und Städtebau in Hamburg.
1. Vereinfachung der Genehmigungsverfahren und Einführung der Bauanzeige
Eine zentrale Neuerung betrifft die Vereinfachung der Genehmigungsverfahren für Wohngebäude. Für Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften, Reihenhäuser und kleinere Mehrfamilienhäuser ist im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans künftig keine Baugenehmigung mehr erforderlich. Stattdessen müssen Bauherren nur noch eine Bauanzeige einreichen. Bereits einen Monat nach der Einreichung der Unterlagen kann der Bau beginnen, sofern alle baurechtlichen Anforderungen erfüllt sind. In Gebieten mit älteren Baustufenplänen oder in städtebaulich geschützten Arealen bleibt das vereinfachte Genehmigungsverfahren bestehen.
Diese Maßnahme soll den Wohnungsbau signifikant ankurbeln, indem bürokratische Hürden gesenkt und Zeit und Kosten für Bauherren gespart werden. Karen Pein, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, betont: „Schnelleres Bauen heißt günstigeres Bauen.“ Durch diese Änderungen können Bauprojekte zügiger umgesetzt werden, was angesichts der angespannten Lage auf dem Hamburger Wohnungsmarkt dringend notwendig ist.
2. Bestandsschutz und Flexibilität bei Umnutzungen
Eine weitere Erleichterung betrifft das Bauen im Bestand. Bislang mussten Bestandsgebäude bei Umnutzungen und wesentlichen baulichen Änderungen aufwändig an den aktuellen Baurechtsstandard angepasst werden. Für Eigentümer war es daher oft günstiger, ein Gebäude abzureißen und neu zu errichten. Die Novelle erweitert den Bestandsschutz, sodass bei der Umwandlung von z.B. Büroräumen in Wohnraum keine Anpassung an den Neubaustandard mehr erforderlich ist. Das bedeutet, dass Wände und Decken bestehender Gebäude nicht den Anforderungen für Neubauten entsprechen müssen, was erhebliche Kosten spart und den Bestand ressourcenschonender nutzbar macht.
Die Stadt will mit dieser Maßnahme die Nutzung und Umgestaltung bestehender Gebäude fördern und gleichzeitig die Schaffung von neuem Wohnraum unterstützen. Die Änderungen sind insbesondere für ältere Bürogebäude in peripheren Lagen von Bedeutung, wo leere Büroflächen vermehrt zu Wohnungen umgewandelt werden könnten.
3. Neue Mobilitätskonzepte statt Stellplatzpflicht
Ein weiterer Meilenstein der Reform ist die Abschaffung der generellen Stellplatzpflicht. Zukünftig ersetzt ein „moderner Mobilitätsnachweis“ die bisherige Stellplatzpflicht. Jedes Grundstück wird individuell hinsichtlich des Mobilitätsbedarfs der Nutzer betrachtet. Kriterien wie Lage, Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und der spezifische Nutzungsbedarf spielen eine zentrale Rolle. So habe zum Beispiel eine Schule in der Nähe eines Bahnhofs andere Mobilitätsbedarfe als das Krankenhaus am Stadtrand und wiederum andere als ein innerstädtischer Gewerbebetrieb mit viel Lieferverkehr, teilt die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen in ihrer Pressemitteilung mit.
Mit der Einführung des Mobilitätsnachweises geht ein Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik einher, der den Fokus weg von der „autogerechten Stadt“ hin zu einer differenzierten Mobilitätsbetrachtung lenken soll. Die bisherigen Ausgleichszahlungen für nicht realisierte Stellplätze entfallen ebenfalls, was Bauherren Kosten spart und die Nutzung von Flächen optimiert.
4. Genehmigungsfreie Installation von Wärmepumpen, Ladepunkten und Solaranlagen
Ein weiteres Ziel der Bauordnungsnovelle ist es, den Einsatz erneuerbarer Energien und klimafreundlicher Technologien zu fördern. Ab 2026 dürfen Wärmepumpen und Ladepunkte für Elektrofahrzeuge ohne Genehmigung installiert werden. Auch die Montage von sogenannten Balkonkraftwerken und Solaranlagen an kleineren Gebäudefassaden wird genehmigungsfrei möglich sein. Diese Regelung soll den Zugang zu nachhaltiger Energie für Eigentümer vereinfachen und den Umweltschutz unterstützen.
Durch die Erleichterung dieser Installationen könnten Eigentümer schneller auf klimafreundliche Technologien umsteigen und einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz leisten. Die Kosten- und Zeitersparnis macht diese Investitionen zudem attraktiver.
5. Förderung experimenteller und kostengünstiger Bauweisen
Die Novelle der Bauordnung ermöglicht es, neue Bau- und Wohnformen zu erproben, selbst wenn sie nicht alle Vorschriften der Bauordnung erfüllen. Innovative, kostengünstigere Bauweisen sollen leichter genehmigt werden, solange keine Gefahr für die Sicherheit besteht und die übergeordneten Schutzziele eingehalten werden. Die Hamburger Regierung hofft, damit Raum für experimentelles Bauen und alternative Wohnkonzepte zu schaffen, die auf die Bedürfnisse einer sich wandelnden Gesellschaft eingehen. Durch diese Öffnung für experimentelle Bauformen könnten kreative und erschwingliche Wohnlösungen entstehen, die die Wohnungsvielfalt in der Stadt bereichern.
6. Erleichterung für Gewerbebauten und „Baugenehmigung aus einer Hand“
Die Reform sieht auch Erleichterungen für gewerbliche Bauprojekte vor. Große Gewerbegebäude und Sonderbauten wie Hochhäuser sind künftig von der Pflicht zur Anwendung des Genehmigungsverfahrens mit Konzentrationswirkung befreit. Stattdessen können Bauherren das „Baugenehmigungsverfahren nach § 64 HBauO“ wählen, bei dem nur das Planungsrecht und das Bauordnungsrecht geprüft werden. Eine Baugenehmigung soll innerhalb von drei Monaten erteilt werden. Weitere Genehmigungen, z.B. für Denkmalschutz oder Wasserrecht, holen die Antragsteller direkt bei den zuständigen Behörden ein. Optional bleibt das bekannte „Baugenehmigungsverfahren aus einer Hand“ verfügbar, bei dem ein Verfahrensmanager den gesamten Prozess steuert und alle Fachgenehmigungen bündelt. Diese Änderungen ermöglichen gewerblichen Bauherren mehr Flexibilität und Schnelligkeit, was insbesondere für dynamische Projektentwicklungen von Vorteil ist.
7. Grüne Vorgärten statt Schottergärten
Zum Schutz der Umwelt und zur Förderung der Biodiversität verbietet die neue Bauordnung die Anlage von Schottergärten. Vorgärten sollen stattdessen begrünt und so gestaltet werden, dass sie Wasser bei Starkregen besser aufnehmen können. Diese Regelung soll das Stadtklima verbessern und zur biologischen Vielfalt in der Stadt beitragen.
Lob vom Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen
Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), begrüßte die Initiative des Hamburger Senats: „Hamburg hält Wort und treibt die Modernisierung der Regelungen entschieden voran. Das zeigt, dass der Senat die Probleme der ausufernden Bürokratie verstanden hat. Ausdrücklich begrüßen wir, dass der Bestandsschutz für Gebäude bei einem Umbau oder einer Nutzungsänderung ausgeweitet wird. Gerade dieser Umbau ist nach den bisherigen Regelungen ausgesprochen kostenintensiv.“ Ob auf Grund des ausgeweiteten Bestandsschutzes jedoch in erheblichem Umfang zum Beispiel Büros zu Wohnungen umfunktioniert würden, müsse sich erst in der Praxis zeigen, so Breitner.
Kay Brahmst, Vorstandsvorsitzender des Landesverbands Nord des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), forderte laut Angaben von haufe.de mehr Mut vom Gesetzgeber: „Dringend notwendig wäre zum Beispiel eine Verpflichtung der Behörden, die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen unverzüglich zu prüfen und fehlende Unterlagen nötigenfalls konkret, einmalig und abschließend nachzufordern.“
Regelungen sollen 2026 in Kraft treten
Die Neufassung der Hamburger Bauordnung markiert einen entscheidenden Schritt zur Modernisierung und Vereinfachung des Bauens in Hamburg. Die vereinfachten Genehmigungsverfahren und der Abbau von bürokratischen Hürden sollen den Wohnungsbau ankurbeln und gleichzeitig die Stadtentwicklung nachhaltiger und flexibler gestalten. Bis das neue Recht gültig ist, wird es allerdings laut Hamburger Abendblatt noch eine Weile dauern: „Erst muss die Bürgerschaft die Novelle der Bauordnung beschließen, dann die Stadtentwicklungsbehörde die Sonderbauverordnungen anpassen, zahlreiche Fachrechtsgesetze ändern und die Software zur Genehmigung von Bauanträgen anpassen“, schreibt die Zeitung auf Ihrer Webseite (Paywall). In Kraft treten sollen die neuen Regelungen schließlich Anfang 2026.
Foto: Canetti/istockphoto.com